CASE STUDY #1

Selbstständig als Web-Entwickler

Du interessierst dich für den Beruf des Web-Entwicklers und überlegst dir, dich selbstständig zu machen? Dann lies weiter und finde heraus, wie Max nach unbefriedigenden Jahren in der “9-to-5-Mühle” den Mut aufgebracht hat, seinen Job zu kündigen und den Schritt ins Unbekannte zu wagen.

Hat es sich gelohnt? Würde Max diesen Schritt noch einmal wagen?

Hör dir diesen Podcast in der brandneuen Version jetzt auch auf Spotify an:

In dieser Case Study findest du heraus:

  • Wie man sich als Web-Entwickler selbstständig macht
  • Ob dieser Schritt auch für dich Sinn machen kann
  • Wie du innerhalb kurzer Zeit an Aufträge kommst
  • Welche Vor- und Nachteile mit der Selbstständigkeit einhergehen
  • Wie der Alltag eines Web-Entwicklers aussieht und wie man ihn clever strukturiert
  • Was man als freiberuflicher Webentwickler verdient
  • Wie man mit zwischenzeitlichen Zweifeln umgeht und motiviert bleibt
  • Wie man langfristig in der Branche als Freelancer erfolgreich wird (und bleibt)
  • Wie wichtig eine gesunde Work-Life-Balance ist
  • Ob sich Max vorstellen kann, wieder in eine Festanstellung zu wechseln

Steckbrief Maximilian Patzner

Maximilian Patzner - selbsständiger Webentwickler

Alter: 38 Jahre jung
Familienstand: ledig
Selbstständig seit: September 2016
Wohnort: Freiburg, 3-Zimmer-Wohnung in Zentrumsnähe
Arbeitsplatz: Büro in der heimischen Wohnung, oft auch die großräumige Küche

Ticks: Kann zum Erstaunen des Gegenüber in einen einwandfreien Hallensisch-Sächsischen-Dialekt wechseln. Ansonsten: Schuhe und Jacken.

Hobbies: Parfüms entdecken, tauschen und sammeln. Sport.

No-Go’s: Unehrlichkeit, zu viele Projekte/Arbeit. Zu viele Meetings.

Ist am zufriedensten mit seiner Arbeit wenn: Er völlig vertieft knifflige Aufgaben lösen kann.

12 Fragen an einen selbstständigen Web-Entwickler

1) Max, wie bist du überhaupt zum Beruf des Web-Entwicklers gekommen?

Ich war schon immer interessiert an Amigas, PC’s und dem Web generell. Ich bin als Kind der 80er damit aufgewachsen und habe die Anfangszeit des Internets miterlebt. Ich erinnere mich daran, wie ich damals die beiden ISDN-Leitungen gebündelt habe, um MP3’s herunterzuladen! Das gab oft Ärger, wenn die Telefonrechnung mal wieder in die hunderte Euros ging oder das Telefon non-stop belegt war…

Die ersten Gehversuche mit HTML haben in Notepad stattgefunden und wurden auf “geocities” hochgeladen. Natürlich durften dabei auch blinkende GIFs nicht fehlen!

Selbstständig als Programmierer – Die Anfänge
Eine alte „Geocities“ Seite, abgebildet auf dem One Terabyte of Kilobyte Age Blog. Foto: oneterabyteofkilobyteage.tumblr.com/

Nach einigen Jahren der Unsicherheit und einem verprassten Erbe musste ich dann eine Entscheidung treffen. Was studieren? Was will ich eigentlich im Leben erreichen? So kam ich zum Studium an der FHF (Freie Hochschule Freiburg), die einen passenden Studiengang “Screen- und Webdesign” anbot. So lernte ich auch meinen guten Freund Daniel kennen, mit dem ich diese Plattform gegründet habe.

Während des Studiums war schnell klar, dass die Programmierung mich mehr interessierte als Design oder 3D-Modelle. Ich bekam im 3. Semester einen Nebenjob in einer kleinen Webagentur und sammelte die ersten Erfahrungen mit dem Shopsystem Magento und Typo3. Auch HTML/CSS und JavaScript bereiteten mir große Freude.

Nach dem Studium bekam ich direkt meinen ersten Job als Angestellter in einer Full-Service-Agentur in Freiburg, bei der ich etwa zwei Jahre arbeitete. Ich hatte überwiegend mit Magento und Shopsystemen zu tun. Irgendwann beschloss ich, dass ich doch mehr in Richtung Frontend-Entwicklung gehen wollte und wechselte zu Virtual Identity – der größten Agentur in Freiburg. Hier wurde ich aber auch nicht richtig glücklich, obwohl mir die Arbeit an sich viel Spaß machte und es spannende Projekte gab.

Das Problem war, dass ich abends oft müde und ausgelaugt nach Hause kam. Ich war unzufrieden und gestresst mit dem Arbeiten im Großraumbüro und der Menge an Meetings, die großer Bestandteil der Arbeit waren. Ich fühlte mich in dieser Struktur einfach nicht wohl.

So wuchs nach und nach eine Unzufriedenheit in mir und ich überlegte, welche Alternativen es gab.

Eines Tages kam ein Freelancer in die Agentur und ich beneidete ihn sofort! Er kam, nahm die Arbeit mit nach Hause, und war für einige Wochen mit einem großen Projekt versorgt. So wollte ich auch arbeiten! Diese Freiheit… Von zu Hause arbeiten, keine oder nur noch wenige Meetings, freie Zeiteinteilung, viel mehr Ruhe und auch wesentlich bessere Verdienstmöglichkeiten. All das war in meiner Vorstellung der reinste Traum im Vergleich zum damaligen Agenturleben.

Ich sparte ca. 10.000 € und kündigte nach 6 Monaten Probezeit meinen Arbeitsvertrag. So einfach war das!

Programmierer Freelancer – Kündigung
Die Kündigung – Der erste Schritt in meine Selbstständigkeit als Programmierer

2) Wie bist du zu Anfang deiner Selbstständigkeit an Aufträge bekommen?

Ich erstellte meine eigene Website und bekam sofort – noch am selben Tag der Indizierung bei Google – den ersten Job für eine PHP-Schulung. Dieser Anruf des Schulungsunternehmen überraschte mich total. Die Möglichkeit als Dozent zu arbeiten hatte ich überhaupt nicht auf dem Schirm! Kurze Zeit später bekam ich 2-3 kleinere Aufträge für einen Shop und zwei kleine CMS-Seiten. Ich verdiente also direkt Geld und bewarb mich in der Zwischenzeit bei einem Dutzend Agenturen, die sich auf Magento spezialisierten.

Freelancer Programmierer – Bewerbung
Meine konkrete Bewerbung, die ich an ein Dutzend Agenturen schickte

Es meldeten sich im Laufe der Wochen 4-5 Agenturen zurück. Eine davon ist bis heute ein fester Auftraggeber von mir. Ich sattelte kurze Zeit später auf das PHP-Framework Laravel um und arbeite bis heute an einem großen Projekt, was mir selbst nach dieser langen Zeit immer noch viel Freude und Abwechslung bereitet.

Außerdem arbeite ich mit einer Freiburger Agentur zusammen, die ich mit Applikationssupport und kleineren Projekte unterstütze. Dort sitze ich mit den “Kollegen” zusammen in der Agentur und freue mich über eine Abwechslung zum Home Office. Für mich die perfekte Mischung: Drei Tage im Home Office (und ab und zu in einem Café) und zwei Tage die Woche in der Agentur.

3) Was verdient man eigentlich als selbstständiger Web-Entwickler?

Als full-stack Entwickler mit Fokus auf Laravel-Web-Applikationen und komplexere Frontend-Architekturen (reaktive JavaScript-Frameworks wie z.B. Vue.js, React oder Angular) verdiene ich etwa 5.500 – 8.000 € Brutto im Monat. Mein Tagessatz sind mittlerweile 520 – 600 €, je nach Auftraggeber und Anforderung. Für komplexe Web-Anwendungen verlange ich etwas mehr als für eine simple Frontend-Anwendung.

Das Gehalt variiert selbstverständlich, aber im Schnitt kann ich etwa 100 Stunden im Monat in Rechnung stellen. Ich muss dazu sagen: Für Auftragsarbeit arbeite ich nicht mehr als 80% im Monat, damit ich Zeit für Herzensprojekte wie diesem habe. Oder auch einfach nur, um mehr Zeit für andere Dinge im Leben zu haben.

4) Welche monatlichen Ausgaben hast du als Freelancer und was bleibt davon am Ende noch übrig?

Eine gute Frage! Also gut, so sehen meine Ausgaben aus:

  • Miete/Strom/Internet: 950 €
  • Diverse Abos (Spotify, Google One, Prime, Streaming): 30 €
  • Krankenversicherung und Rentenvorsorge: 500 €
  • Einkäufe/Unterhalt: 300-400 €
  • Essengehen: 100-300 €
  • Freizeit/Shopping: 200-400 €
  • Steuerberater: ca. 150 € / Monat
  • Sonstige Ausgaben (Carsharing etc.): 150 €

Summe Ausgaben: -2630 €
Gespart: ca. 1870 €

Und was machst du mit dem Gesparten?
Das stecke ich in Aktien und ETF-Sparpläne oder lasse es auf dem Festgeldkonto liegen. Für Reisen oder größere Anschaffungen habe ich also immer etwas Geld auf der hohen Kante. Das fühlt sich sehr komfortabel an und gibt mir gleichzeitig finanzielle Sicherheit.

5) Wie viel hast du als angestellter Web-Entwickler in Agenturen verdient?

Als angestellter Entwickler habe ich wesentlich schlechter verdient. In meiner allerersten Agentur nach dem Studium bin ich mit 3.000 € Brutto eingestiegen. Nach einem Jahr konnte ich immerhin 3.500 € herausschlagen. Nach meinem Agenturwechsel verdiente ich weniger, nämlich 3.300 €. Ich ließ mich in der Verhandlung einschüchtern und hatte dabei eigentlich kein gutes Gefühl. Trotzdem nahm ich den Job damals an. Meine Unzufriedenheit zu der Zeit wuchs somit auch entsprechend an.

6) Warum wolltest du dich damals überhaupt selbstständig machen?

Abgesehen davon, dass ich schon immer mal mein eigener Chef sein wollte und ich ungern in Großraumbüros und festen zeitlichen Strukturen (also dem klassischen 9-to-5 Agenturjob) arbeite, war für mich auch ein großer Anreiz, meine Freiheit und Unabhängigkeit zurückzugewinnen. Außerdem wollte ich mich mit dem damaligen Gehalt nicht zufrieden geben.

Ich hatte das Gefühl, dass ich damit auf Dauer nicht zufrieden sein könnte. Wie sollte ich mir denn mal eine eigene Wohnung oder ein schönes Auto leisten, ohne mich direkt verschulden zu müssen? Selbst bei regelmäßigen Gehaltssprüngen hätte es wahrscheinlich ein Jahrzehnt gedauert, bis ich einmal “ordentlich” verdient hätte.

Das Allerwichtigste aber war mein Gefühl, das ich damals hatte. Selbst meine damalige Partnerin bekam das zu spüren, wenn ich abends erst einmal “Zeit für mich” brauchte, um von der Arbeit abzuschalten und mich wieder normal zu fühlen. Es war ein Gefühl der Ohnmacht. Ich fühlte mich gefangen und angekettet. Mein Arbeitgeber hatte meine Zeit gekauft. Zeit, die ich nicht frei einteilen konnte. Das nagte an mir… Ich wollte das irgendwann einfach nicht mehr hinnehmen.

Irgendwann wuchs die Vorstellung, mich selbstständig zu machen. Von Tag zu Tag bekam diese Idee mehr und mehr Energie. Ich fing an, darüber zu reden. Es waren nicht mehr nur Gedanken, sondern es wurde ein konkretes Vorhaben. Irgendwann war es dann soweit. Der Tag der Kündigung. Das fühlte sich richtig gut an, das weiß ich noch!

7) Wie sieht dein Alltag als Freelancer aus?

Ich stehe meistens zwischen 7 und 8 Uhr auf. Die ersten Skype-Calls – falls welche anstehen – finden oft nicht vor 9 statt und sind in der Regel auch flexibel (on-demand).

Ich starte den Tag mit einer großen Tasse Kaffee und lasse es die erste Stunde ruhig und gemütlich angehen. Ich checke Mails und lese meine “go to Webseiten” (News, Parfüm-Forum, Blogs oder Newsletter-Artikel). Danach gibt es ein Frühstück, Eier mit Eiweißbrot und Frischkäse oder ein Müsli. Nach dem zweiten Kaffee geht’s dann richtig los! Jetzt bin ich wach und fit für die wichtigen Todos.

Webentwickler selbstständig machen – Morgenroutine
Ein guter Kaffee am Morgen ist für Max unersetzlich! (Hario V60)
Selbstständig als Webentwickler - Frühstück.jpg
Energie sammeln für die wichtigen Todo’s am Morgen!

Bis 12-13 Uhr verrichte ich nun die wichtigsten und kompliziertesten Aufgaben und Tasks. Ich bin jetzt super fokussiert und arbeite sehr effizient. In dieser Zeit ist meine Konzentration am Allergrößten. Das versuche ich auszunutzen. In dieser Phase lasse ich mich nur ungern von Telefonaten oder Meetings stören. Diese lege ich meist auf den Nachmittag.

Nun ist es Zeit für eine größere Pause. Das können durchaus mal zwei Stunden sein. Hier treffe ich mich mit Freunden in der Stadt, gehe Mittagessen / Kaffee trinken oder mache eine Runde Sport (z.B. Joggen gehen oder ein kleines Workout). Nicht selten schiebe ich nun auch ein “power nap” ein, wenn ich müde bin.

Zwischen 14-18 Uhr erledige ich nun weitere Todos oder mache mit Aufgaben vom Vormittag weiter. Nun ist auch eine gute Zeit für Absprachen, Skype-Meetings und generelle Kommunikation wie das Beantworten von Mails. Die Konzentration hat bei mir in dieser Zeit spürbar abgenommen, deswegen fange ich nun auch keine komplizierten Aufgaben mehr an.

Webentwickler selbstständig – Arbeitsplatz
Mein Arbeitsplatz: 4k-Monitor und mechanisches Keyboard (Varmilo VA87Mac). Was braucht’s mehr?!
Selbstständiger Programmierer – Keyboard
Ohne Worte…

Ab etwa 18 Uhr ist Feierabend! Nun treibe ich gerne etwas Sport, erledige Einkäufe, koche etwas Leckeres und treffe mich mit meiner Partnerin. Freizeit eben.

Steuern und andere Dinge, die liegengeblieben sind, schiebe ich meist auf das Wochenende, beispielsweise auf meinen geliebten Samstagmorgen, an dem ich sonst auch mal Hobbyprojekte fortführe oder mich einer ausführlichen Runde mit meinen “go to Webseiten” beschäftige.

Generell versuche ich am Wochenende wenig bis gar nicht zu arbeiten. Nur in dringenden Fällen plane ich ein paar extra Stunden ein, wenn es mal gar nicht anders geht.

8) Was tust du zum Ausgleich zur Arbeit als Freelancer? Stichwort “Work-Life-Balance”!

Das ist ein gutes Stichwort! Das erinnert mich auch an die Floskel “selbst und ständig”.

Eine gute Balance zwischen Arbeit und Freizeit war mir schon immer wichtig. Hier schaue ich auch besonders genau hin, wenn ich mich einmal überarbeitet oder ausgelaugt fühle.

Besonders Urlaube und sich mal ein paar Tage frei nehmen fällt mir nicht immer leicht! Schließlich verdiene ich in dieser Zeit kein Geld. Fühle ich mich also urlaubsreif, und das kann ja (bei aller Liebe zum Job) mal vorkommen, nehme ich mir meistens ein paar Tage am Stück frei. Falls das nicht bereits eingeplant war. Das ist das Schöne: Meine Projekte erlauben mir einen großen Freiheitsgrad in der Urlaubsplanung. Da kann ich spontan mal sagen: “Leute, ich bin heute Nachmittag und morgen raus, wir sehen uns nächste Woche wieder.”

Zurück zur Frage. Sport ist mir sehr wichtig! Ich sitze verständlicherweise viel am Schreibtisch und somit fehlt es oft an Bewegung. Hier kommt das Joggen ins Spiel. Alternativ taugen mir auch Spaziergänge oder hin und wieder ein längerer Ausflug mit der Partnerin. Die Balance macht’s eben – wie mit so vielem im Leben.

Selbstständig als Webentwickler - Parfüm
Parfüm, Parfüm, Parfüm – wohin das Auge sieht!

In der Regel arbeite ich nicht mehr als 6-7 Stunden am Tag. Das lässt mir genug Freiräume für Freizeit und ausgiebige Pausen. Dies ist mein ganz persönlicher “Sweet Spot”, mit dem ich mich wohl fühle, aber trotzdem noch genügend arbeite, um meinen Ansprüchen gerecht zu werden.

Mein Tipp: Experimentieren ist das A und O. Jeder Mensch tickt anders. Probieren geht immer über studieren. Es gibt ja tausende “self help” Videos bei YouTube, wie beispielsweise “Die perfekte Morgenroutine”. Die kann aber niemals für jeden Menschen funktionieren. Hier gilt es also für sich selbst herauszufinden, was einem liegt und was nicht. Und vor allem wie viel Pensum einem guttut und wie man seine ganz persönliche, perfekte Balance zwischen Arbeit und Freizeit herstellt.

Besonders im ersten Jahr meiner Selbstständigkeit habe ich mich schwer getan, auch mal NEIN zu Aufträgen zu sagen. Ich habe schlichtweg viel zu viel gearbeitet und wollte ausloten, was möglich ist. Oft war ich dann ausgelaugt und meine sozialen Kontakte haben in dieser Zeit auch gelitten. Rückblickend war es ein Mangel an Erfahrung und etwas zu viel an Motivation.

9) Was sind die Herausforderungen deiner Selbstständigkeit?

  • nicht zu viel zu arbeiten
  • mir Zeit für mich zu nehmen
  • auch mal NEIN zu sagen!
  • mich auch abseits der Arbeit selbst herauszufordern
  • technisch am Ball zu bleiben und bewusst neue Technologien zu verwenden, um mich weiterzuentwickeln
  • meine Finanzen im Blick zu behalten (Hallo Steuernachzahlungen!)

Glücklicherweise hatte ich zu keinem Zeitpunkt Zweifel an meinem Vorhaben, mich selbstständig zu machen. Es gab seitdem keinen einzigen Moment, an dem ich überfordert, ängstlich oder unzufrieden mit meiner beruflichen Situation war. Zumindest nicht mit meiner eigentlichen Selbstständigkeit als Programmierer.

Es gab aber durchaus auch Phasen, die mich frustriert haben. Ich war nämlich zwischenzeitlich als Amazon-Händler tätig und wollte mir neben der Webentwicklung ein zweites (diesmal passives) Einkommen aufbauen. Das scheiterte grandios! Die Details hierzu würden jetzt allerdings den Rahmen sprengen. Das wird vielleicht einmal Stoff für einen anderen Artikel.

Webentwickler - Amazon FBA passives Einkommen
Um welche Art von Produkt handelt es sich hier wohl?

Mein Tipp für angehende Selbstständige in meiner Branche: Wenn doch einmal Zweifel aufkommen oder die Aufträge anfangs noch ausbleiben, einfach die Ruhe bewahren. Wenn die Grundlagen (Spezialisierung) und die Kommunikation passen, sollten sich immer eine Handvoll Agenturen finden, die mit einem zusammenarbeiten wollen. Wenn es alles doch länger dauert: Einfach noch mehr Bewerbungen schreiben, die Zeit zur Weiterentwicklung nutzen oder eine tolle Projekthistorie ausarbeiten, die man den Bewerbungsunterlagen hinzufügen kann.

10) Was sind die Vorteile, aber auch die Nachteile, sich als Web-Entwicker selbstständig zu machen?

Aus meiner Sicht gibt es diese Vorteile:

  • Bei voller Auslastung bessere Verdienstmöglichkeiten
  • flexible Stunden, dadurch wesentlich mehr Freiheit (spontan Essen gehen / Freunde treffen / an den See!)
  • Bin mein eigener Chef! » stärkt Selbstvertrauen, da ich zu 100% für mich selbst verantwortlich bin und alles selbst managen muss. Kein „sich in der Sicherheit der Festanstellung wiegen und ausruhen”
  • Ich kann arbeiten wo ich will: Home Office, Coworking, Cafés, teils auch in Agenturen vor Ort, sogar längere Reisen verbunden mit Arbeit sind möglich » Stichwort Digitaler Nomade
  • Ortsunabhängig » kann jederzeit (mit Partnerin) um/wegziehen

Natürlich gibt es auch Nachteile:

  • Kein bezahlter Urlaub
  • Muss mich selbst um Krankenversicherung und Rentenvorsorge kümmern
  • Muss mich selbst um Buchhaltung und Steuern kümmern
  • Keine festen Kollegen. Dadurch kein regelmäßiger Wissensaustausch. Kann aber durch MeetUps und Konferenzen kompensiert werden
  • Womöglich weniger Bestätigung durch Chef/Kollegen bzw. weniger Möglichkeiten, ein “Standing” aufzubauen wie es sonst in einer Agentur möglich wäre
  • Hoher Grad an Eigenverantwortung und Disziplin nötig

Ob nun die Vor- oder Nachteile überwiegen, muss schlussendlich jeder selbst für sich entscheiden. Ich habe durchaus Menschen getroffen, die es lieben, in einem Großraumbüro zu arbeiten und permanent Leute um sich zu haben. Ein geschätzter Kollege meinte einmal wörtlich “Ich liebe dieses Chaos!”.

Für mich überwiegen die Vorteile. Und mit den Nachteilen kann ich mich auch gut anfreunden. Vieles musste ich allerdings auch erst einmal lernen!

11) Wie fühlt es sich für dich an, selbständig zu sein?

Es ist ein sehr schönes Gefühl. Ganz besonders nach ein paar Jahren, wenn man weiß, wo der Hase langläuft! Es gibt mir viel Selbstvertrauen. Bei mir war es so, dass ich früh viel Geld geerbt habe, dieses Erbe dann später aber im wahrsten Sinne des Wortes verprasst habe. Bei null begonnen zu haben, mir alles selbst erarbeitet zu haben, gibt mir ein gutes Gefühl. Ich stehe auf den eigenen Beinen. Das macht mich sehr stolz. Auch die finanzielle Sicherheit, die ich mir in den letzten Jahren durch Bildung von Rücklagen erarbeitet habe – viel mehr, als es in einer Festanstellung möglich gewesen wäre – gibt mir viel Halt.

Ich kann mir somit mehr leisten und mir langfristig schneller Wünsche und Träume erfüllen. Zum Beispiel eine schöne Wohnung oder ein Haus. Ein schönes Auto, schöne (und mehr) Urlaube, und so weiter. Diesen Luxus genieße ich natürlich auch ein Stück weit.

Außerdem liebe ich die Flexibilität, auch mal spontan einen Tag freinehmen zu können, um einen Ausflug zu machen oder mich mit Freunden zu treffen. Das ist mittlerweile schon so normal, dass es für mich kaum noch erwähnenswert ist. Für jemanden, der aktuell angestellt ist, mag dies aber umso verlockender sein! Verständlicherweise.

Ich bin grundsätzlich frei von existenziellen Ängsten und muss keine Sorge haben, dass mein Job unsicher ist oder ich gekündigt werde. Wenn einmal ein Auftraggeber wegbricht, warten zehn andere darauf, dass ich mich bei ihnen melde. Das ist ein wirklich krasses Gefühl – zu wissen, dass meine Dienstleistung sehr gefragt ist. Eine Agentur, mit der ich regelmäßig zusammenarbeite, hat beispielsweise versucht, mich fest anzustellen. Ich habe dankend abgelehnt, mich aber gleichzeitig sehr über die Wertschätzung gefreut.

12) Was empfiehlst du Unentschlossenen und denen, die sich überlegen, diesen Schritt selbst zu wagen?

Zuerst einmal solltest du dich als Entwickler (das gilt aber generell auch für andere Berufsfelder) ausreichend spezialisiert haben. Beispiele:

  • Frontend-Entwicklung » react.js/Angular/Vue.js
  • Full Stack Web-Applikationen » Laravel oder Magento-Shop-Entwicklung
  • CMS-Spezialist, z.B. FirstSpirit- oder Typo3-Entwickler
Webentwickler – Tech Stack
Mein persönlicher „Tech Stack“ (Stand Mai 2020)

Diese Spezialisierung positioniert dich besser im Markt. Es wird somit ein Leichtes, Projekte und Arbeitgeber zu finden. Experten sind immer gefragt. Das ist in der IT so und auch in vielen anderen Branchen (mehr zum Thema „Value“ erfährst du außerdem im Kapitel Akquise).

Ich habe beispielsweise mit der Frontend-Entwicklung angefangen, später dann mein Repertoire mit PHP, CMS-Systemen und full stack Web-Applikationen (Laravel) erweitert. Dies kommt mir extrem zugute, denn ich kann sowohl komplexe Webanwendungen als auch reaktive Frontends auf die Beine stellen. Ich bekomme teilweise mehrmals in der Woche Anfragen für neue Projekte über XING – dies zur Verdeutlichung der Nachfrage.

Mein Tipp, falls du noch noch angestellt bist und jetzt den alles entscheidenden Schritt gehen willst… 

Spare dir vorher unbedingt etwas Geld an. Ich empfehle 8.000 – 10.000 €, damit du ohne Schwierigkeiten ein paar Monate überbrücken kannst. So verspürst du nicht direkt von Anfang an zu viel Druck.

Außerdem empfehle ich, bereits vor der Kündigung Initialbewerbungen an Agenturen zu schreiben, damit du idealerweise direkt zum Start der Selbstständigkeit Aufträge hast.

Finde heraus:

  • Was ist deine Motivation, um dich selbstständig zu machen?
  • Weichst du nur einer schwierigen Situation im Job aus?
  • Willst du wirklich dein eigener Chef sein und dich komplett selbst strukturieren?
  • Ergründe genau, was deine Intention ist und versuche dir zu visualisieren, wie deine Selbstständigkeit konkret aussehen könnte:
    • Mit wem arbeitest du zusammen?
    • Wie sieht dein Tagesablauf aus?
    • Von wo aus arbeitest du?
    • Bist du dabei glücklich(er)?
    • Ist dahinter eine Energie zu spüren?

Wenn du jetzt voller Zweifel bist, solltest du besser (noch) warten und dich später noch einmal mit dem Thema beschäftigen.

Wenn dir klar ist, dass auch du selbstständig werden willst: EINFACH TUN!

Der Weg zurück ins Angestelltenverhältnis ist verhältnismäßig einfach, falls es dann am Ende doch nicht klappen sollte oder es dir doch zu unsicher ist.

Bist du jemand, der es liebt, viele Menschen um sich zu haben? Dann ist ein Agentur-Job vielleicht doch die bessere Wahl für dich. Ein Coworking-Space kann dann womöglich auch kein Ersatz sein, denn hier gibt es keine Hierarchien oder Feedback von Kollegen und auch kein „Social Proof” oder Lob durch besonders gute Leistungen.

Schlusswort

Der Schritt in die Selbstständigkeit kann anfangs enorm einschüchternd wirken. Wenn du dir aber einen klaren Fahrplan erstellst, etwas Geld angespart hast und dich gut dabei fühlst, dann gilt: EINFACH TUN!

Für mich ist nach knapp 4 Jahren der Selbstständigkeit klar: Es gibt nichts Schöneres, als mein eigener Chef zu sein, meine Zeit frei(er) einteilen zu können, besser zu verdienen oder auch mal side projects zu starten, als die ganze Zeit nur Auftragsarbeit auszuführen. Dieser Vorteile möchte ich nicht mehr missen!

Außerdem gilt: Als selbstständiger Web-Entwickler hast du auch auf lange Sicht beste Aussichten am Jobmarkt.

Wenn ich dich auf deinem Weg unterstützen kann, schreib mir einfach eine Anfrage über das Kontaktformular. Ich freue mich auch immer sehr über Feedback!

Update Juni 2024

In den letzten Monaten habe ich mich zunehmend unglücklich gefühlt. Immer dasselbe Projekt, mühsam und uninspiriert – das hat an mir genagt. Dabei hatte ich schon seit Jahren diverse Indiehacker-Newsletter abonniert, aber ehrlich gesagt viele Monate lang gar nicht mehr reingeschaut.

Ende April diesen Jahres habe ich endlich den Schritt gewagt, den ich schon lange vor mir hergeschoben hatte: Ich habe mich entschieden, Social Media – genauer gesagt X – für mich zu nutzen. Ich habe einen Account erstellt und angefangen, regelmäßig zu posten.

Mittlerweile habe ich über 150 Follower. Klar, das ist keine wahnsinnige Nummer, aber es macht mir unglaublich viel Spaß!

Es belebt mich auch zu sehen, wie andere Indiehacker ihre Projekte angehen und veröffentlichen. Das Stichwort hier ist #buildinpublic – ein Konzept, das mich total fasziniert.

Um diesen „Launch-Muskel“ zu trainieren, habe ich kürzlich sogar mein erstes Mini-Projekt auf Product Hunt veröffentlicht. Eine spannende Erfahrung!

Ich habe mittlerweile eine lange Liste an Ideen, die ich umsetzen will. Ich stehe morgens mit einer unglaublichen Energie auf, weil ich (wieder) voller Tatendrang bin. Ich lerne jeden Tag etwas dazu, momentan ist es vor allem das Thema Kundengewinnung und SEO.

Wenn dich mein weiterer Weg interessiert, folge mir gerne auf X. Dort teile ich meine Gedanken und Erfahrungen zu Themen wie AI (Tools und praktische Anwendungen), Indie Hacking, Marketing, Laravel und natürlich meine Learnings aus diesem ganzen Prozess.

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