CASE STUDY #2

Selbstständig als Medien-Designer

Du interessierst dich für den Beruf des Mediendesigners und überlegst dir, dich selbstständig zu machen? Dann lies weiter und finde heraus, wie Daniel über Umwege den Weg zum selbstständigen und erfolgreichen Mediendesigner und Projektmanager gefunden hat.

In dieser Case Study findest du heraus:

  • Wie Daniel zum Beruf des Mediendesigners kam
  • Wie eine sinnvolle Absicherung zu Beginn aussieht
  • Was man in dieser Branche verdienen kann
  • Wie die monatlichen Ausgaben aussehen
  • Wie der Alltag als Mediendesigner aussieht
  • Was die größten Herausforderungen und Vorteile sind
  • Ob sich das für Daniel gelohnt hat
  • Was man vorab beachten sollte
  • Welche Tipps es für Einsteiger gibt

Steckbrief Daniel Hellweg

Daniel Hellweg - selbstständiger Mediendesigner

Alter: geboren 1987
Selbstständig seit: Februar 2013
Wohnort:  Scharbeutz, Haus im „Grünen“
Arbeitsplatz: geräumiges Büro daheim

Ticks: Kann 30 Minuten ohne Luft zu holen und ohne Unterbrechung reden.

Hobbies: Games, Segeln, Heimwerkern, Serien, Asiafood, Reisen.

No-Go’s: Warten ohne Grund. Kaputte Technik, die sich nicht SOFORT reparieren lässt. Unordnung.

Ist am zufriedensten mit seiner Arbeit wenn: Alles perfekt geplant ist und ein Zeitplan auf die Sekunde aufgeht. Außerdem: wenn die eigene Arbeit andere inspiriert und weiterbringt (Coaching, Diskussionsforen, Förderprogramme, etc.)

12 Fragen an einen selbstständigen Mediendesigner & Projektmanager

1) Daniel, wie bist du überhaupt zum Beruf des Mediendesigners gekommen?

Zu Anfang war überhaupt nicht klar, dass ich irgendwann in diesem Berufsfeld arbeiten würde. Während der Schulzeit hatte ich verschiedenste Interessen und wusste nicht, auf was für einen Job ich mich überhaupt festlegen können würde. Ich erinnere mich noch, dass mein erster ernsthafter Berufswunsch damals war, Pilot zu werden. Das erübrigte sich allerdings schnell wegen früher Kurzsichtigkeit. Danach fiel die Wahl auf Ingenieur oder Architekt. Irgendetwas Kreatives sollte es jedenfalls sein.

Nach dem Abitur (2006) arbeitete ich während meiner Zivildienst-Zeit in einer Einrichtung für geistig behinderte Menschen. Danach stand eine neue Erkenntnis: ich wollte auf jeden Fall „mit Menschen arbeiten“. Daraufhin bewarb ich mich an der Universität Twente in den Niederlanden auf einen Studienplatz in Psychologie. Dafür musste ich zunächst einen Sprachkurs auf Universitätsniveau innerhalb kurzer Zeit abschließen und zog im Anschluss in eine WG mit 13 anderen Mitbewohnern, die meisten davon Niederländer. Nicht nur die Sprache und das Studium in einem anderen Land, sondern auch eine so große Wohngemeinschaft war für mich eine völlig neue Erfahrung. Die Erfahrungen und Erkenntnisse aus dieser Zeit konnten mir – bis heute – viel mitgegeben und auch einige langjährige Freunde blieben aus dieser Zeit.

Während des Psychologie-Studiums (2007-2008) fiel mir bereits auf, dass ich vor allem an Plakat- und Grafikgestaltung große Freude hatte, obwohl das oft nur am Rande beim Entwickeln psychologischer Interventions-Kampagnen nötig war. Ich hatte schon immer gerne am PC gearbeitet, Grafikprogramme ausprobiert, Bilder retuschiert und Spiele gemoddet. Meine Mitbewohner hatten zum Teil auch einen großen Fable für „3D Demos“ und das interne Netz des Campus bot viele spannende Inputs für Kurzfilme oder auch Beispiele aus besagter „Demoszene“. Vor allem die Demo „Lifeforce“ (ASD) beeindruckte mich damals sehr – so etwas wollte ich irgendwann auch mal machen können. Allerdings war mir damals nicht klar, wie ich dieses Interesse beruflich weiter hätte verfolgen sollen, da es wenig Studiengänge für Computergrafik, Game Design oder Ähnliches gab.

Mir kamen auch aus anderen Gründen langfristig Zweifel am Themengebiet Psychologie für mich persönlich. Ich verließ die Niederlande wieder, zog nach Freiburg in Süddeutschland und wählte ein neues Hauptfach: Philosophie (Psychologie blieb weiterhin mein „Minor“ Fach). Ich erhoffte mir davon mehr Inspiration und frische Gedankenprozesse. Allerdings dauerte es keine 3 Wochen, bis mir klar wurde, dass ich mich erneut ziemlich im Studienfach vergriffen hatte. Das irritierte mich erstmal sehr, denn einen zweiten Studienabbruch hatte ich eigentlich nicht geplant – der erste war mir schon schwer genug gefallen.

Zu dieser Zeit (2009) wohnte ich in der Nähe einer Hochschule für Grafikdesign und Bildende Kunst – damals „FHF“. Ich fuhr an dieser auf dem Weg zur Freiburger Uni eigentlich täglich vorbei, aber jetzt, als Philosophie für mich eigentlich schon „erledigt“ war, begann ich natürlich nach weiteren Studien-Alternativen Ausschau zu halten – die FHF kam da eigentlich eher zufällig. Ich ging recht spontan zu einem Infogespräch mit dem damaligen Hochschulleiter Steffen Rümpler (der mir später noch ein guter Mentor wurde), um mich über das Studium „Screen- & Webdesign“ zu informieren. Dabei handelte es sich um ein kombiniertes Studium aus Computergrafik und Grafikdesign. Das war damals noch bei weitem nicht so bekannt wie heute als „Mediendesign“. Für mich klang dieses Studienangebot jedenfalls hochinteressant, denn wie schon erwähnt fanden ohnehin viele meiner Hobbies am PC statt, erste Grafikgestaltungs-Erfahrungen hatte ich auch schon, außerdem hatte ich immer gerne gezeichnet und Dinge gebaut.

Meine Voreinstellungen zum Thema Fachhochschulen war wir damals allerdings erst noch im Weg, dann ich dachte für mich, ich hätte „eigentlich doch zu Uni gehen sollen“. Auch im Bekanntenkreis galten Fachhochschulen eher als passend für Leute, die einem Studium an der Uni nicht gewachsen waren. Das löste bei mir schon Bedenken aus.

Da ich sah aber ohnehin keine interessantere Option sah, fertigte eine Bewerbungs-Mappe an, reichte meine Bewerbung bei der FHF ein und nach einem Interview wurde ich zum Studium aufgenommen. Philosophie brach ich direkt ab.

Entgegen meiner ursprünglichen Bedenken wurde ich vom Fachhochschulalltag aber keineswegs enttäuscht. Im Gegenteil: hier konnte man endlich praktisch und an echten Projekten, mit direktem Feedback, gestalterisch sowie kreativ arbeiten, und das fast ohne Klausurstress, dafür mit viel höherer Eigenmotivation. Dieses Studium fühlte sich viel mehr „zu Hause“ an als jedes Uni-Studium zuvor. Dennoch hatte ich durch das Psychologie-Studium deutliche Vorteile, denn als Grafiker waren Wahrnehmungs-Prozesse, Modelle für konstruktives Feedback und Präsentations-Kompetenzen nahezu täglich gefordert.

Jetzt war klar, dass ich dieses Studium langfristig machen wollen würde und hängte sogar ein Semester freiwillig an die Studienzeit dran. In dieser Zeit bildeten sich weitere gute Freundschaften, wie zum Beispiel mit Max, der damals im gleichen Wohnblock wie ich wohnte und den ich auch davon überzeugen konnte, den Weg an die FHF zu wagen.

Nach dem Studium verdiente ich mein erstes Geld über kleinere Dozenten-Tätigkeiten und die Leitung von Grafik-Seminaren an der FHF (wurde dann zur „hKDM“). Nebenbei betreute ich die ansässige Grafikwerkstatt für 3D-Druck, Drucksachen und Laserschnitte. Darüber kam ich eher zufällig auch in die Position der Leitung der studentischen Agentur der hKDM, über die ich meine ersten Erfahrungen mit Aufträgen und Kunden sammeln konnte.

Während dieser Zeit konnte ich über ehemalige Dozenten und deren Medienagenturen auch erste eigene Kunden gewinnen. Nach und nach „rutschte“ ich sozusagen in die Selbstständigkeit, denn die Honorare für die Hochschule musste ich ohnehin bereits als Rechnung stellen. Die hKDM bliebt damit auch lange Zeit mein größter Auftraggeber und mein sicheres Netz beim Start in die eigene Selbstständigkeit.

Später hängte ich neben der selbstständigen Arbeit dann noch einen Master in der Schweiz (Basel, FHNW) dran. Damit hatte ich mir nun doch, wenn auch über Umwege, einen akademischen Abschluss erarbeitet – allerdings mit wesentlich mehr Freude an der Sache und konkreter Praxiserfahrung.

Seitdem arbeite ich völlig ortsunabhängig als Mediendesigner. Zwischendurch war ich auch drei Jahre in Berlin, meine Kunden stammen allerdings zum Großteil nach wie vor aus Freiburg und der Region aus damals bereits aufgebauten Netzwerken und Kontakten. Daher reise ich hin und wieder auch gerne in den Süden zurück.

2) Wie bist du zu Anfang deiner Selbstständigkeit an Aufträge bekommen?

Wie schon gesagt, mein Weg dahin ging eigentlich eher zufällig und Stück für Stück in die Selbstständigkeit. Die meisten Aufträge bekam ich über Kontakte:

  • Beim Fraunhofer IPM für physikalische Messtechnik hatte ich während des Studiums einen Werkstudentenjob für Websitepflege, Grafikerstellung, Layout und Covergrafiken ausgeführt. Dieses Institut bucht mich bis heute immer wieder für Grafiken zur Aufwertung von Förderungsanträgen. Die ersten Zusammenarbeiten waren allerdings eher simple Grafikjobs.
  • Einige der Dozenten der FHF hatten bereits ihre eigene Agentur. Vor allem für die Loopkomm GmbH konnte ich damals mit Flash-Animationen (ja das war damals noch top-aktuell) ein paar Euro dazuverdienen.
  • Die Betreuung der Grafikwerkstatt und der Agentur der Hochschule lieferte mir ein monatlich zugesichertes Honorar von 200€. Natürlich war das nicht viel, aber ich konnte an jedem Auftrag der hKDM-Agentur mitverdienen und damit ein wenig Stabilität in meine Finanzen bringen.
  • Weitere bezahlte Tätigkeiten an der Hochschule umfassten im Laufe der Zeit:
    • Einen Flash-Programmier- und Animations-Kurs
    • Die Leitung eines Game-Design-Fernstudiengangs
    • Die Co-Leitung eines Grafik-Kollegs für Erwachsene
    • Präsentationen der Hochschule auf Messen und Veranstaltungen
  • Außerdem bekam ich über die E-Learning Agentur „imc AG“ weitere Werkstudentenjobs und später sogar größere Aufrage für die Erstellung von Lernspielen und E-Trainings für namhafte Kunden der Automobilbranche. Diese Kooperation hält bis heute an und macht einen wesentlichen Teil meiner Arbeit aus.

Meine ersten eigenen Kunden hatte ich dabei erst ab Ende 2014, also nach rund 1,5 Jahren meiner frühen und eher zufälligen Selbstständigkeit. Die Dinge ergaben sich einfach, aber ich hatte zu jedem Zeitpunkt das Gefühl, frei und selbstbestimmt arbeiten zu können und meine Zeit mit sinnvollen Aufträgen und Seminaren verbringen zu können.

Sicher hatte ich zu Anfang die Hochschule als Sicherheit im Rücken, aber dennoch musste ich mir alle Lehrprogramme, die ersten Kontakte und Kunden selbst erarbeiten.

Durch die in dieser Zeit entwickelten Netzwerke musste ich bis heute keinen einzigen Kunden aktiv akquirieren – so wichtig sind gute Kontakte.

3) Was verdient man eigentlich als selbstständiger Mediendesigner?

Auch nach sieben Jahren ist meine Auftragslage immer noch unbeständig . Das soll aber nicht heißen, dass ich jeden Monat Sorge habe um mein Einkommen. Eigentlich habe ich sogar recht viele und teilweise auch sehr gut bezahlte Aufträge, dennoch ist ein Monatseinkommen nie wirklich berechenbar. Es gibt schließlich keine festen Stunden und keine festen Arbeitszeiten. Meistens liegen die Intervalle meiner gestellten Rechnungen so, dass ich jeweils 2 Monate keine Rechnung stelle und dann wiederum 5-10 in einem Monat auf einmal.

Aber ich versuche trotzdem mal eine grobe Durchschnittsschätzung abzugeben:
2019 hatte ich einen bereinigten Gewinn (vor Steuern) über 110.000 €. Das war allerdings zum ersten Mal der Fall, denn soviel hatte ich in den Jahren zuvor nie erwirtschaften können. Mein Durchschnitts-Gewinn lag von 2016 bis 2018 immer bei rund 40.000€ – die Tendenz war zuvor nur leicht steigend.

Insgesamt ergab das einen monatlichen Gewinn von 9.250 €, nach Steuern bleiben einem davon ungefähr 5.800 € netto übrig. Davon muss dann aber auch wirklich ALLES bezahlt werden: Versicherungen, Lebensunterhalt, Rücklagen, Auto, Miete, Büro und so weiter.

4) Welche monatlichen Ausgaben hast du als Freelancer und was bleibt davon am Ende noch übrig?

Auch das variiert in Teilen sehr stark, da manche Monate sehr sparsam ausfallen und manche sehr teuer. Das hängt auch sehr von den jeweiligen Unternehmungen, Besuchen, Reisen, Geschäftsausgaben ab. Im Schnitt sollte das hier etwa hinkommen:

  • Miete/Strom/Internet: 900 €
  • Büro-Miete: 400 €
  • Diverse Versicherungen, Krankenversicherung und Rentenvorsorge: 800 €
  • Auto-Leasing: 370 €
  • Benzinkosten: 100 € (minimal)
  • Einkäufe/Essen: 350 €
  • Essengehen: 250 €
  • Abos (Dropbox, Amazon Prime, Streaming, Patreon, Adobe, Webhosting etc.): 110 €
  • Freizeit/Shopping/Hobbies: 250 €
  • Steuerberater: 140 €

Summe Ausgaben: -3670 €
Gespart: ca. 2130 €

Und was machst du mit dem Gesparten?

Grundlegend versuche ich immer, nur Dinge zu kaufen, die auch langfristigen Wert haben, das ist selbst bei meinen Sammel-Hobbies so. Zuviel Geld lasse ich meist nicht auf dem Konto liegen sondern investiere es in meine Arbeit, Wertpapiere (Aktien), Sachwerte oder auch mal in einen netten Urlaub.

Was ich persönlich dabei wichtig finde, ist, immer den Überblick zu behalten und sein Geld sinnvoll auszugeben. Dazu zählen auch Dinge wie ein eigenes kleines Segelboot, denn in „Erlebnisse zu investieren“ ist für mich immer noch die beste ‚Anlage‘.

Außerdem lade ich meine Partnerin nach jedem erfolgreich gebuchten Auftrag irgendwo nett zum Essen ein, das ist eine schöne kleine Selbst-Belohnung für jede Akquise. Grundlegend versuche ich aber, nie mehr als 10% von meinem Gewinn für Privates auszugeben. Damit schafft man es langfristig auch recht einfach, Rücklagen aufzubauen.

5) Was waren deine Arbeitserfahrungen vor der Selbstständigkeit?

Manche Sachen habe ich bestimmt schon doppelt erwähnt, daher beantworte ich das hier mal möglichst kompakt und übersichtlich:

  • Erste Arbeitserfahrungen während der Schulzeit:
    • Parkplatzanweiser bei Musikevents
    • Arbeiten an der Kasse
  • Erste „richtige“ Arbeitserfahrungen erst nach der Schulzeit:
    • Gruppenleiter in einer Einrichtung für geistig behinderte Menschen (Zivildienst)
  • Zu Beginn des Studiums eher anstrengende Ferienjobs:
    • Metallfabrik, Pressteile (anstrengender Maschinenjob in Schichten, sehr eintönig)
    • Kunststofffabrik, Paletten & Mülltonnen (Pressanlagen bedienen, kommissionieren)
    • Teemühle im Hochsommer auf einem staubigen Dachboden (richtig ätzend)
  • Das meiste war sehr frustrierend und schlecht bezahlt (~10€/h), das wollte ich definitiv nicht dauerhaft machen müssen. Diese Zeit hat mich allerdings großen Respekt vor allen Industriearbeitern gelehrt, die diese Knochenjobs jeden Tag ausführen.
  • Während des Studiums in Freiburg hatte ich dann teilweise bessere Nebenjobs:
    • Werkstudent beim Fraunhofer IPM
    • Werkstudent bei der imc AG
    • Minijobs und Seminare rund um die FHF

6) Was war nach diesen Erfahrungen deine Einstellung zum Thema Festanstellung?

In den meisten Jobs, die ich während der Ferien oder sonst zwischendurch hatte, fühlte ich mich oft durch die zeitliche Routine sehr eingeengt. Vieles fühlte sich schon nach kurzer Zeit sehr monoton und wenig selbstbestimmt an.

Selbst Werkstudentenjobs, die ich thematisch sehr ansprechend fand, konnte ich vor Ort in der jeweiligen Agentur nie so richtig effizient ausführen. Ich erledigte meine Tätigkeiten zwar immer in der vorgegebenen Zeit, aber im direkten Vergleich war der Unterschied zum Arbeiten im „Home Office“ so immens, dass ich von zu Hause fast doppelt so schnell sowie wesentlich besser konzentriert arbeiten konnte.

Diese Erkenntnis war für mich auch der ausschlaggebende Faktor bei einem bewussten JA zur langfristigen Selbstständigkeit. Bis heute ist mir das liebste Arbeitsumfeld das eigene Büro in kompletter Stille, wo ich unter höchster Konzentration auch über Stunden am Stück effizient arbeiten kann. Ich arbeite mich manchmal regelrecht in eine positive Art von „Rage“ in der ich wahnsinnig viel in kürzester Zeit umsetzen kann, ohne dass meine Arbeitsqualität darunter leidet.

Ein solches Feeling habe ich nie auch nur ansatzweise in irgendeinem anderen Job-Konstrukt erlebt. Selbst in einem wirklich tollen Agenturumfeld vor Ort (auch wenn ich das jeweilige Kollegium sehr schätze) war mir das nicht möglich. Ich stellte daher recht früh fest, dass ich für gute Arbeit einfach meinen Raum und meine eigene Zeiteinteilung brauche. Zudem arbeite ich auch gerne noch sehr spät nachts, was mit einem klassischen Bürojob und entsprechenden Arbeitszeiten nahezu unvereinbar ist.

Wenn Kollegen oder Bekannte das mitbekommen, finden Sie diese Arbeitszeiten oft eigenartig oder lustig, weil das für sie so nicht funktionieren würde und das nicht ihrem Alltag entspricht. Mich stört das aber wenig, solange ich von mir weiß, dass ich dem für mich perfekten Umfeld vermutlich 2 bis 3 mal schneller arbeite als die Kritiker 😉

Also in Kurzform: Nein, ich gehe höchstwahrscheinlich nicht in eine Festanstellung – es sei denn, es wäre ein Kontext, in dem ich zum gleichen Gehalt wie jetzt alle Projekte, den Arbeitsplatz sowie die Inhalte möglichst frei gestalten kann.

7) Wie sieht dein Alltag als Freelancer aus?

Das ist völlig unterschiedlich und unterscheidet sich dadurch, ob ich viele Projekte habe oder nicht.

Bei vielen Projekten gleichzeitig (manchmal 10 parallel) sieht ein typischer Tag so aus:

  • Aufstehen zwischen 9:30 und 10:50 Uhr
  • 10:00 bis 12:00 Uhr: Mails verschicken, Meetings mit Kunden via Skype oder Telefon
  • 12:00 erste Mahlzeit, meist ein frisches Müsli (1 geriebener Apfel, 1 gespresste Orange, 1/2 Päckchen Quark, 1 Handvoll einer Haferflocken, Mandelsplitter, Zimt) sowie einen Kaffee oder Tee
  • 13:00 bis 17:30 erste Arbeitsschicht, dabei eher komplexere Tasks wie Konzeptentwicklung, Designs, Projektplanung, Management, Absprachen
  • 18:00 bis 20:00 Pause, Entspannung und Abendessen
  • 20:30 bis 1:00 zweite Arbeitsschicht, hier meist eher niederkomplexe Tasks (Animationen umsetzen, Projektlisten vervollständigen, Ergebnisse evaluieren, vorbereitete Produktionen umsetzen)
  • 1:00 bis 2:30 Serien gucken (manchmal)
  • 3:00 spätestens: schlafen.

Wenn das nicht der Fall ist und wenige Projekte (also eins pro Woche und eher mit dem Fokus auf Management aus auf eigener Umsetzung) anliegen:

  • Aufstehen zwischen 10:30 und 11:00
  • 12:00 Uhr: Frühstück
  • 13:00-16:00: Projektarbeit
  • ab 16:30: Heimwerkeln, im Garten sitzen, Ausflüge machen, Essen gehen
  • 20:00 Kundenmails nochmals durchschauen und beantworten; überprüfen, ob weitere Tasks geplant werden müssen.
  • Abendessen und den Tag ausklingen lassen.

Oder ich bin unterwegs und habe meinen Laptop dabei, dann sieht das nochmal ganz anders aus:

  • Ganzen Tag unterwegs aber trotzdem prinzipiell für Notfälle und Rückfragen telefonisch erreichbar
  • Projektdaten werden im Zweifelsfall per Handy via Share-Links an Kunden geschickt oder andere Freelancer-Kollegen spontan beauftragt, Tasks zu übernehmen
  • ab 21:30 nach allen Tagesunternehmungen: Arbeit am Laptop bis 1:00 wenn absolut nötig.

8) Was tust du zum Ausgleich zur Arbeit als Freelancer? !

Da gibt es sicher vieles, was man machen kann. Das Wichtigste, um den Kopf frei zu bekommen, ist meiner Meinung nach aber, einfach mal raus aus dem Büro zu gehen.

Nun habe ich die glückliche Situation, mit dem Auto innerhalb von 10 Minuten an den Strand fahren zu können, um dort eine Runde dort spazieren zu gehen oder einfach nur in Ruhe zu entspannen.

Aber auch schon in Ruhe für 15 Minuten auf der Terasse oder dem Balkon in der Sonne zu sitzen, kann die eigenen Energien auftanken.

Meine Freundin und ich gehen vor allem gerne zusammen Essen – Sushi steht dabei ganz oben auf der Liste. Wie schon gesagt „belohne“ ich mich (und sie) bei jedem erfolgreichen Auftrag mit einem netten Essen, das schafft eine schöne Auszeit und viele gute Momente.

Manchmal will man aber nur ganz simpel abschalten. Da ich schon seit Jahren kein Fernsehen mehr gucke, schaue ich dafür unglaublich viele Serien per Stream oder Youtube-Videos am Handy. Das kann aber auch recht plötzlich ziemlich viel Freizeit verschlingen.

Mein liebstes Hobby sind aber sicherlich Videogames. Spiele sind für mich allerdings weniger ein Medium zum Abschalten sondern eher zur aktiven Inspiration. Wer sich die letzten 10-15 Jahre nicht viel mit Spielen und ihrer Entwicklung beschäftigt hat, hat viel aufzuholen, denn hier hat sich ein unglaublich bereicherndes Medium entwickelt, in das ich gut und gerne in einem Monat ohne Projekte um die 100 Stunden stecke.

Dabei spiele ich aber kaum Online-Games oder Endlosspiele sondern meist Story-Erlebnisse, RPGs oder Indie Games. Aber auch die Entwicklungen im VR Bereich interessieren mich massiv, weil das nicht nur ein Hobby von mir ist sondern sich hier auch viel aus der Arbeit mit spannenden neuen Technologien verbinden lässt.

All das ist aber weniger ein „Ausgleich“ zu sehen, denn meine Arbeit stresst mich ehrlich gesagt äußerst selten. Ich versuche eher, Projekte so zu planen, dass so wenige Arbeitsstunden pro Tag (im Idealfall maximal 4 Stunden) wie möglich anfallen und auf diese Weise meinen Alltag entspannt zu planen. Dafür mache ich allerdings auch keinen Unterschied zwischen Wochenende und Wochentag.

Ehrlich gesagt arbeite ich sogar am liebsten am Wochenende, weil da fast nie ein Kunde anruft und mich in der Arbeit unterbricht. Dadurch entstehen manchmal leicht 14-Stunden-Schichten an Samstagen oder Sonntagen, sodass damit manchmal das gesamte Wochenpensum bereits vorab weggearbeitet wird. Wenn diese Sessions dann rum sind, kann das richtig entspannend wirken, so paradox das klingt.

9) Was sind die Herausforderungen deiner Selbstständigkeit?

Konsequent Ideen zu entwickeln. Ein Kreativloch über längere Zeit ist vermutlich der Alptraum jedes Designers. Was mir dabei hilft:

  • Raus aus dem Büro. Selbst wenn es nur eine 15 Minuten Auszeit ist, kann das sehr hilfreich sein.
  • Viel Fachfremdes konsumieren (beispielsweise Konferenzen, Bücher, Videos) denn dabei kommen einem schnell neue Ideen, weil das Gehirn neue Verbindungen bildet.
  • Projekt-Hopping: Sobald ich das Gefühl habe, bei einem Projekt seit 15 Minuten keine Fortschritte zu machen, geht’s direkt ins nächste Projekt. Dann ins nächste wenn die kreative Energie erneut aufgebraucht ist. Dann wieder zurück zum ersten Projekt. So halte ich mich fit im Kopf und zwinge mich zu absoluter Konzentration. Das schlaucht allerdings nach spätestens 7-8 Stunden und dann geht erstmal nichts mehr für den Tag.

Kundenkommunikation. Das mache ich zwar gerne, erfordert aber auch sehr viel Geschick, Antizipation und Konzentration bei Absprachen, Akquise, Beratungen, Meetings, sowie dem Lösen schwieriger Situationen. Die meisten meiner Kunden empfinden die gemeinsamen Besprechungen oft als locker und entspannt, aber dass das überhaupt so wirkt und trotzdem produktiv bleibt, erfordert viel Vorarbeit und Routine.

Zeitplanung.  Aber auch das mache ich eigentlich gerne. Zu den wichtigsten Faktoren zählen dabei:

  • Abgabefristen einhalten
  • Personal einteilen
  • Daten reviewen
  • Meetings organisieren
  • Den richtigen Moment finden, um sich einen anderen Freelancer bei einem Projekt hinzu zu buchen. Man kann nicht immer alles alleine realisieren und vor allem bei vielen parallelen Projekten läuft man sonst Gefahr, sich zu übernehmen oder extrem zu überarbeiten.

Ehrlich gesagt fällt mir sonst wenig ein, denn mit genug Routine wird die Selbstständigkeit zu einem recht stressfreien Alltag.

10) Was sind die Vorteile, aber auch die Nachteile, sich als Mediendesigner selbstständig zu machen?

Aus meiner Sicht gibt es diese Vorteile:

  • Skalierbares und höheres Einkommen
  • Mehr Flexibilität in der Arbeit (Skills sind übertragbar in verschiedene Branchen)
  • Thematische Abwechslung durch unterschiedliche Projekte
  • Mehr Freizeit durch eigene Zeiteinteilung
  • Unabhängig vom Ort arbeiten zu können
  • Kein Zeitverlust durch Pendeln zur Arbeitsstelle. Aufstehen -> an den PC -> los geht’s.

Gibt es auch Nachteile?

Naja, jede Tätigkeit hat Vor- und Nachteile. Ich nenne das lieber „Herausforderungen“, denn all diese Dinge sind notwendig für eine gelingende Arbeit:

  • Steuern und Ausgaben müssen immer exakt im Blick behalten werden
  • Viele gleichzeitige Projekte erfordern ein hohes Maß an Planungskompetenz
  • Manchmal kann es sein, dass alle Projekte gleichzeitig weitergehen, das bedeutet ab und an 16h-Schichten und das teilweise 4-5 Tage hintereinander
  • Wenn man nicht aufpasst, ist man immer im Arbeitsmodus und immer erreichbar. Mir ist es zwar wichtig, verlässlich für Freunde wie auch Mitarbeiter sowie Kunden erreichbar zu sein, aber auf Dauer ist das sicherlich nicht die beste Methode, wenn man nicht ständig das Gefühl haben will, es könnte noch etwas Wichtiges anstehen (selbst wenn man gerade auf einem Wochenend-Ausflug ist).

11) Wie fühlt es sich für dich an, selbständig zu sein?

Das kann ich ganz schnell und kurz beantworten: Mir ging es in noch nie besser, mein Alltag war nie freier und die allgemeine Situation finanziell unbesorgter als in den letzten 7 Jahren meiner Selbstständigkeit und die Zufriedenheit wächst jedes Jahr weiter.

Die einzige Frage, die mich derzeit zusehends umtreibt, ist, ob ich meinen thematischen Fokus in Zukunft doch mehr ausrichten möchte auf die Themen: Coaching, Vorträge, Bildung im Allgemeinen sowie Forschung und Förderungsanträge. Das liegt daran, dass ich mit meiner Arbeit langfristig nicht nur meinen Lebensunterhalt verdienen möchte, sondern mich meine Arbeit vor allem dann am meisten erfüllt, wenn ich das Gefühl habe, andere weiterbringen und inspirieren zu können.

12) Was empfiehlst du Unentschlossenen und denen, die sich überlegen, diesen Schritt selbst zu wagen?

Vernetze dich mit Leuten in der Branche, in der du dich selbstständig machen möchtest. Lerne die Leute und ihren Alltag ganz genau kennen und dann frage dich, ob dich das langfristig auch begeistern kann. 

Frage dich auch, ob du wirklich verstanden hast, was die Tätigkeit, für die du dich interessierst, im Kern ausmacht. Es ist nämlich ein riesiger Unterschied, ob du (beispielsweise) gerne Zeit in Cafés verbringst, oder eines aufbauen oder sogar selbst leiten und besitzen möchtest. In letzterem Fall wirst du nämlich den Großteil deines Alltags mit Personalfragen, Finanzen, Ämtern, Einkäufen, Zeitplänen, Buchhaltung und dergleichen verbringen – und das hat äußerst wenig mit dem romantischen Alltag eines netten gemütlichen Cafés zu tun.

Diese Erkenntnis hatten meine Freundin und ich, nachdem sie drei Jahre in Berlin das Katzencafé „BaristaCats“ betrieb und unsere Beziehung unter diesem neuen Alltag sehr litt. Eine Gastronomie zu führen ist alles andere als einfach. Sie hat das zwar sehr gut gemacht, aber es ist und bleibt ein Knochenjob. Ich habe ihr in dieser Zeit viel versucht zu helfen und mitzuarbeiten wo ich konnte, aber im Prinzip hatte ich zu dieser Zeit quasi noch einen weiteren „Job“ – auf Dauer wäre das nicht gut gegangen.

Du musst dir beim Start in die Selbstständigkeit auch darüber klar werden, ob du die finanzielle Unsicherheit zu Beginn – aber auch langfristig – aushalten kannst. Hast du dafür genug Rücklagen oder einen parallelen Teilzeit-Job? Dann kannst du dieses Vorhaben viel entspannter angehen und mit relativer Sicherheit beginnen aufzubauen.

Kannst du mit Geld umgehen? Das klingt zwar simpel, aber wenn du jetzt schon hohe laufende Kosten, keine Übersicht über deine Finanzen, viele Abos, Kredite und dergleichen hast, solltest du das erst in Ordnung bringen, denn gutes Finanz- und Selbst-Management ist für jede Selbstständigkeit essenziell.

Schlusswort

Wenn du wirklich für eine Sache brennst, den Kern der Tätigkeit verstanden hast, diese für dich einen bereichernden neuen Alltag bieten kann und du mit grundlegenden Absicherungen starten kannst – los geht’s!

Ich selbst würde diesen Schritt immer wieder gehen und die wenigsten Selbstständigen bereuen ihre Entscheidung. Selbst wenn es nicht direkt klappen sollte, ist der Weg in eine Übergangs-Festanstellung nicht schwer. Entwickle einfach die nächste Idee und versuche es erneut.

Ein gut gemeinter Tipp: versuche nicht, dich des Geldes wegen selbstständig zu machen, wie das überall im Netz angepriesen wird. „Erreiche JETZT finanzielle Freiheit!!!“ ist ein Satz, der häufig in dem Zusammenhang fällt. Meiner bisherigen Erfahrung nach ist der finanzielle Erfolg allerdings nicht als Fokus sondern eher als positiver Nebeneffekt jeder erfolgreichen Selbstständigkeit zu sehen.

Was du stattdessen anstreben solltest:

Löse Probleme.

Denke einmal darüber nach, warum die erfolgreichsten Unternehmen so erfolgreich sind:

Sie alle lösen ein oder mehrere Probleme.

  • Amazon: schneller, günstiger und unkomplizierter als jeder normale Store.
  • Apple & Samsung: ein Hochleistungscomputer, den man immer dabei haben kann.
  • Google: das Wissen der Welt mit nur einem Klick erreichbar statt langwieriger Recherche.
  • Onlinewerbung allgemein: skalierbar und gezielt Zielgruppen erreichen
  • Instagram: Fotos einfach und schnell mit der ganzen Welt teilen.
  • Youtube: Jeder kann ein „TV-Star“ werden.
  • Autohersteller: Schnell und flexibel von A nach B mit einem eigenen Gefährt.
  • WhatsApp: Warum müssen SMS etwas kosten – geht das nicht einfacher über’s Internet?

Höre Leuten in deinem Umfeld und deiner Branche also immer gut zu:

  • Was beschäftigt sie?
  • Womit haben sie immer wieder Probleme?
  • Lohnt es sich, dieses Problem zu lösen?

Kannst du diese Fragen beantworten, hast du vermutlich schon deine erste Geschäftsidee und kannst direkt starten.

Ach noch ein Tipp, wenn du denkst, dass du deine erste gute Idee gefunden hast: Teste diese so schnell wie möglich an echten Usern, anstatt lange an der Idee zu entwickeln – so hat im Übrigen auch Instagram angefangen. Mit diesem „Fail Faster“-Prinzip und dem Stellen der richtigen Fragen kommst du vermutlich schneller ans Ziel als die Konkurrenz.

Viel Erfolg!

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